Heinz von Foerster Preis - 3. September 2012
Wir müssen in Zusammenhängen denken
Wie das moderne Management von den Ideen Heinz von Foersters profitieren kann.
Dankesworte anläßlich der Zuerkennung des Heinz-von-Foerster-Preises für Organisationskybernetik
Von Richard Straub
Wenn es jemals große Dringlichkeit für ein neues Denken gegeben hat, dann jetzt. “We can‘t solve problems by using the same kind of thinking we used when we created them” – diese Einsicht von Albert Einstein gilt in besonderem Maß, seit die Krise uns an unsere Grenzen gebracht hat. Aber wie genau kommt Neues in die Welt? Wie entstehen Ideen und wie finden sie in die Wirklichkeit? Womit wir bei Kybernetik und System-theorie sind, jenen Wissenschaftsrichtungen, welche die Mechanismen erforschen, nach denen Maschinen, Organismen und soziale Organisationen funktionieren. Dabei gehen sie von der Vorstellung aus, dass diese sich auf eine hochkomplexe Art und Weise selbst zu steuern vermögen.
Der Management-Pionier Peter Drucker hat Systemtheorie und Kybernetik nicht explizit genannt, doch das System-Denken ist in seinem Werk allgegenwertig. Drucker hat sich selbst als „Social Ecologist“ bezeichnet und den Begriff der Ökologie auf auf die gesellschaftliche Realität übertragen. Als „Social Ecology“ bezeichnet Drucker die Beziehung der Menschen zu und in ihren sozialen, ökonomischen und politischen Organisationen. Nach Drucker ist es Aufgabe des Managements, die gesellschaftlichen und institutionellen Ökosysteme zu verstehen und ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu untersuchen. Es hatte also wohl auch seine Gründe, dass Peter Drucker sein erstes Ehrendoktorat an der Universität St. Gallen erhielt – von Hans Ulrich, dem Begründer der Systemischen Managementlehre, die als das St. Gallener Modell bekannt wurde.
Das Management, die Disziplin vom Gestalten, Lenken und Entwickeln zweckorientierter gesellschaftlicher Institutionen und Organisationen, kann viel von system-orientierten Ansätzen lernen. Gleichzeitig kann die Systemtheorie im Management einen Hebel finden um ihre gesellschaftliche Wirksamkeit erhöhen. Zwischen Managementlehre und den Denkern der Systemtheorie und Kybernetik sind große Synergien möglich und wünschenswert. Der Wirtschaftswissenschaftler Fredmund Malik hat dies auch schon konkret gezeigt – mit
Management-Methoden, die auf kybernetischen Erkenntnissen basieren.
Wir befinden uns in der schwierigsten Situation seit Ende des Zweiten Weltkrieges und es steht viel auf dem Spiel. Trotz berechtigter Zukunftssorgen hat Europa jedoch gewaltige Stärken. Für die bahnbrechende Informatikerin Christiane Floyd, welche die Grundlagen für eine menschengerechte Gestaltung computergestützter Systeme und eine ethische Informatik legte, verkörpert Heinz von Foerster das positive Potential von Österreich, so hat sie es einmal formuliert. Und ich möchte ergänzen: wie Peter Drucker oder der Neurologe und Psychiater Viktor Frankl. Sie alle haben über ihre eigene Disziplin hinausgedacht, haben Kunst und Wissenschaft in Austausch gebracht und ihr Interesse am Neuen ein Leben lang erhalten – Heinz von Foerster bezeichnete sich ja bekanntlich als Neugierologe. Und nicht zuletzt haben diese Vorreiter auch persönliche Großzügigkeit und menschliche Wärme ausgestrahlt.
Wie können wir also große Österreichische Denker wie Peter Drucker und Heinz von Foerster heranziehen, um die immensen gesellschaftlichen Herausforderungen zu lösen? Welche Synergien können dabei entstehen? Das Ursache-Wirkung-Denken ist im Management ja genauso verkürzt und schädlich wie in der Politik. Einige Anregungen möchte ich hierzu einbringen:
Es wäre sinnvoll, Systemische Denkansätze und Transdisziplinarität in den Leherplänen und akademischen Studien zu verankern. Nur so werden wir unser Denken in den gesellschaftlichen und privaten Organisationen langfristig verändern. Dabei sollten auch Simulationen und Spiele, die ganzheitliches und systemisches Denken erfordern besonders geförder werden (wie etwa SIM City oder Civilization III).
Für Akademische Institutionen darf Transdisziplinarität kein Lippenbekenntnis bleiben. Die Menschen, welche diese Institutionen tragen, werden die Silos ihrer Spezialisierung nur dann verlassen, wenn sie die Vorteile systemischer Ansätze erfahren haben. Das können sie aber nur, wenn systemische Veränderungen, auch in den Anreizsystemen für akademische Karrieren, wenigstens ansatzweise eingeführt sind.
Forschungsprogramme sollten sich intensiver mit Ideen zur Selbstorganisation auseinandersetzen.
Der Kybernetiker Heinz von Foerster und die chilenischen Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela, die in ihrer Autopoiese die sich selbst schaffende Organisation ergründeten, sind hier als Vordenker genauso inspirierend wie Peter Drucker mit seinen Anregungen zur Organisation von Wissensarbeit. Organisations-soziologie, Kybernetik und allgemeine Management Forschung sollten hier stärkere Synergien entwickeln.
Kybernetiker sollten sich aber auch kritisch fragen, wie relevant ihr traditionelles Modell in der Praxis noch ist und ob sie ihre Ideen ausreichend allgemien verständlich machen. Wenn selbst gebildete Menschen die Begriffe Kybernetik und Bionik nachschlagen müssen, dann muss etwas fehllaufen.
Die Universität St. Gallen hat mit dem auf systemischer Basis entwickelten integrierten Management-Modell den Anfang gemacht. Daraus könnte potenziell ein europäisches Management- Modell entstehen, welches die Managementlehre und -forschung in Europaendlich aus ihrem Mauerbümchendasein führt.
Die Politik läßt einen eklatanten Mangel and systemischen Denken erkennen. Politiker sind auch sehr selten in der Lage größere systemische Zusammenhänge on verständlicher Weise zu vermitteln.
Ein Lehrgang „Systemdenken für Politiker“ wäere daher ein wesentlicher Beitrag zu einem besseren Verständnis von politischer Verantwortung und damit zur politischen Kultur.
Soweit einige erste Gedanken. Das Drucker Forum wird im nächsten Jahr konkrete Ansätze und Aktions-programme ausarbeiten und zur Diskussion stellen. Das Thema für 2013 heißt „Managing Complexity“.
Kybernetik und Systemtheorie können uns bei der Erneuerung unseres Denkens helfen. Die Managementlehre kann systemische Ansätze in der wirtschaftlichen und sozialen Sphäre umsetzen – dort, wo es am meisten schmerzt. Auch wenn wir das, was die Ökonomen Albert und Karl Müller als unvollendete Revolution bezeichnet haben, vermutlich selbst nicht zu Ende führen können, so vermögen wir doch einen Beitrag zu leisten, der die Ideen wichtiger Vordenker wie Heinz von Foerster oder Peter Drucker am Leben erhält, damit die großen Denker von morgen sie weiterführen können.
Richard Straub ist Präsident der Peter Drucker Society Europe.
Am 3. September erhielt er den Heinz-von-Foerster-Preis für Organisationskybernetik
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