Peter Paschek |
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„In the half-century after second world war, the business corporation has brilliantly proved itself as an economic organization, that is the creator of wealth and jobs. In the next society the biggest challenge for the large company, especially for the multinational, may be its social legitimacy: its values, its mission, its vision”.(1) Zur Einführung “Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt” verkündete Mitte der 90er Jahre ein deutscher Wirtschaftsminister. Er tat dies, ohne dabei wirklich massiven Widerspruch zu erhalten, denn die Bemerkung – von einigen als etwas unglücklich abgetan - lag im Trend des Zeitgeistes der vergangenen 30 Jahre. Welch fataler Irrtum dieser Aussage innewohnt, haben die Ereignisse der letzten Wochen und Monate mit Nachdruck verdeutlicht: Wirtschaft findet in der Gesellschaft statt und eine globale Wirtschaft in einer globalen Gesellschaft! Peter Drucker erfasste das wie kein anderer und legte es in seinem großen, umfassenden Werk in der für ihn typischen klaren Sprache dar: „None of our institutions exists by itself and is an end by itself. Everyone is an organ of society and exists for the sake of society. Business is no exception. Free enterprises cannot be justified as being good for business. They can be justified only as being good for society.”(2) Es war wiederum Peter Drucker vorbehalten, Management als gesellschaftliche Funktion zu identifizieren und daraus die fundamentalen Aufgaben des Managements von Organisationen abzuleiten. „Management and Managers are the central resource, the generic, the distinctive, the constitutive organ of society … and the very survival of society is depending on the performance, the competence, the earnestness and the values of their managers…What managers are doing is therefore a public concern.”(3) Drucker übernahm selber die aus diesen Erkenntnissen resultierende Verantwortung, indem er bei der Darlegung seiner Wahrnehmungen und Analysen nie stehenblieb, sondern die gesellschaftlich Verantwortlichen zum Handeln aufforderte: Sie sollten mitwirken – nicht um das Paradies auf Erden zu schaffen, aber eine funktionierende, für die überwiegende Mehrheit der Menschen erträgliche Gesellschaft. Peter Drucker sah sich immer als Außenseiter und wurde von seiner Umgebung auch so wahrgenommen. Die Versuche, ihn in eine Schablone wie „Management Guru“ oder „Futurist“ zu pressen, nahm er nicht ernst, vor allem, weil sie seinem Werk in keiner Weise gerecht wurden. Er selbst begriff sich Zeit seines Lebens zu allererst als Gesellschaftsdenker, dann erst als Managementtheoretiker, darüber hinaus bezeichnete er sich als Sozialökologen, beschäftigt mit „man’s man – made environment the way the natural ecologist studies the biological environment.“(4) Den Wissenschaften im traditionellen Verständnis fühlte er sich nicht zugehörig. Wenn überhaupt, dann sah er sich als Vertreter der „moral sciences“. „If it (die Sozialökologie“) is a science at all, it is a “moral science” – to use an old term that has been out of fashion for 200 years”. (5) Im Kern seines Denkens verstand er sich mit zunehmendem Alter in Anlehnung an Henry Adams (6) als christlich-konservativer Anarchist: “Ein konservativ-christlicher Anarchist, ja das bin ich mehr oder weniger! Je älter ich werde, umso skeptischer werde ich gegenüber all den Versprechen, die die Menschheit durch eine Gesellschaft erlösen wollen. Ich denke, dass eine der wesentlichen Erfahrungen, die wir in den letzten 50 Jahren gemacht haben, darin liegt, dass wir zunehmend desillusioniert wurden von „Volksbeglückung“ und zunehmend zur Überzeugung gelangten, dass es keine perfekte Gesellschaft gibt, sondern nur eine erträgliche. Man kann verbessern, aber nicht perfektionieren – und dies ist ein konservatives Konzept, aber ebenso auch ein christliches, da es den Schwerpunkt auf das Individuum und seinen Glauben legt und das Ende nicht in dieser Welt, sondern außerhalb dieser Welt sieht. Darum bin ich konservativ-christlich und Anarchist in dem Sinne, dass ich zunehmend misstrauisch werde gegenüber Regierungen – nein, das ist das falsche Wort – gegenüber Macht. Als Philosoph – der ich nicht vorgebe zu sein – habe ich immer Macht als das zentrale Problem und die Lust an der Macht als die Grundsünde des Menschen angesehen – nicht Sex. Sex ist keine Sünde, das haben wir mit allen Tieren gemein. In diesem Sinn bin ich Anarchist, aber ungleich den Anarchisten akzeptiere ich das Erfordernis von Regieren und Regierung. Der von mir am meisten geschätzte politische Philosoph ist Wilhelm von Humboldt, der Gründer der Universität Berlin im Jahr 1809. Er hat als junger Mann von 23 Jahren ein wunderbares Buch über den Mythos der französischen Revolution geschrieben. Darin enthalten ist ein Essay mit dem Titel „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“. Dieses Thema bildet den Mittelpunkt meines Interesses. Diese Fragestellung veranlasste mich, mich mit den Wirtschaftsunternehmen zu beschäftigen und den anderen autonomen Institutionen unserer Gesellschaft, die soziale Aufgaben übernommen haben und somit die Macht des Staates einschränken. Deshalb nenne ich mich auch heute einen konservativ-christlichen Anarchisten, allerdings in dem eben beschriebenen sehr speziellen Sinn.“ (7) Einer der ersten, der die Bedeutung von Druckers Werk für die Management-Ausbildung frühzeitig erkannte, war der herausragende Wissenschaftler Hans Ulrich im Schweizerischen St. Gallen. Auf sein Betreiben wurde Peter F. Drucker bereits (1970!) die Ehrendoktorwürde der Universität St. Gallen verliehen. Akademische Schüler von Hans Ulrich wie Peter Gomez haben das fortgesetzt, was er begonnen hatte: Die Gedanken und Handlungsanleitungen von Peter Drucker in ihrer Ganzheit denjenigen zu vermitteln, die nach ihrer Ausbildung in das Management von Organisationen streben. Worin liegt nun die Essenz von Druckers Werk und seine Bedeutung für unsere Gesellschaft, insbesondere für ihre Institutionen wie Wirtschaftsunternehmen, staatlichen Organisationen oder Universitäten? Ich hatte die große Ehre, Peter Drucker in den letzten 30 Jahren seines Lebens als Lehrer kennen- und als Freund schätzen zu lernen. Vor diesem durchaus persönlichen Hintergrund versuche ich nachfolgend, Grundlinien in seinem Werk in kompakter Form nachzuzeichnen. Welche markanten Punkte und übergreifenden Ideen prägten Druckers Weltsicht? Über allem steht eine außerordentliche Sensibilität für die Bedeutung von Sprache und die von ihr ausgehende Kraft. Der Glutkern allen Nachdenkens bei Drucker jedoch ist die – wie ein roter Faden alles durchziehende – Frage nach dem Wesen von „Gemeinschaft und Gesellschaft“. Es sind diese fundamentalen Schlüsselkategorien, auf denen Drucker sein Verständnis von „Management als soziale Funktion“ aufbaut und in denen eine Ethik der Verantwortung gründet. Ich werde diese zentralen Konzepte zunächst summarisch skizzieren und dann von einem persönlichen Dialog mit ihm berichten, in dem Drucker aus einer konkreten zeithistorischen Konstellation heraus Stellung bezieht zur Frage einer „funktionierenden Gesellschaft“. Der Aufsatz schließt mit einer Anmerkung zur Managementausbildung als gesellschaftliche Aufgabe. |