Vor 20 Jahren habe ich in einem meiner MBA-Kurse erlebt, wie zäh Brainstorming sein kann. Wir sprachen über ein weitverbreitetes Problem: Wie lässt sich in einem von Männern dominierten Umfeld eine Kultur der Gleichberechtigung herstellen? Das Thema lag den Studierenden am Herzen, aber sie konnten partout keine Ideen entwickeln, mit denen sie auch nur annähernd zufrieden waren. Nach ewigem Hin- und Herdiskutieren ging die Energie der Gruppe gegen null. Ich warf einen Blick auf die Uhr und sagte, wir müssten doch wenigstens noch einen Anknüpfungspunkt für das nächste Treffen hinbekommen. Ich improvisierte und sagte: „Jetzt lasst uns mal für heute nicht mehr über Antworten nachdenken, sondern nur noch ein paar neue Fragen entwickeln, die wir uns in diesem Zusammenhang stellen könnten. Davon tragen wir jetzt, in der Zeit, die uns noch gemeinsam bleibt, so viele zusammen wie möglich.“
Pflichtbewusst fingen die Studierenden an, Fragen zu formulieren. Ich schrieb sie alle an die Tafel und erinnerte jeden an die Aufgabenstellung, der schon wieder versuchte, Antworten darauf zu geben. Sehr zu meiner Überraschung war schnell wieder Leben im Raum. Am Ende der Sitzung redeten die Studierenden noch beim Hinausgehen angeregt über einige der Fragen, die sie gerade entwickelt hatten – diejenigen, die einige der Grundannahmen hinterfragten, von denen wir zuvor immer ausgegangen waren. Zum Beispiel: Gab es Entwicklungen an der Basis, die wir unterstützen könnten, statt von oben herab Regeln vorzugeben? Und: Was können wir von Bereichen innerhalb unserer eigenen Organisation lernen, die bereits Gleichberechtigung erreicht hatten, statt automatisch außerhalb des Unternehmens nach Best Practices zu suchen? Mit einem Mal gab es viel mehr zu diskutieren, denn wir hatten unerwartete mögliche Lösungswege aufgezeigt.
Fragen statt Antworten in den Mittelpunkt des Brainstormings zu stellen hatte ich zuvor noch nie ausprobiert. Es fiel mir in jenem Moment spontan ein – vermutlich, weil ich mich kurz zuvor mit den frühen Forschungsarbeiten des Soziologen Parker Palmer zu kreativer Entdeckung durch offene, ehrliche Fragen beschäftigt hatte. Doch die Methode funktionierte bei den Studierenden so gut, dass ich anfing, auch bei Beratungsmandaten damit zu experimentieren. So hat sich ein Ansatz entwickelt, den ich bis heute kontinuierlich optimiere. Ich habe ihn inzwischen in der Arbeit mit Hunderten von Kunden angewendet, darunter auch globale Teams bei Chanel, Danone, Disney, EY, Fidelity, Genentech, Salesforce und Dutzenden von anderen Unternehmen, Non-Profit-Organisationen und Managern, die ich gecoacht habe. Grundlage des Ganzen ist die Erkenntnis, dass frische Fragen oft neue, ja sogar transformative Erkenntnisse zutage fördern. Das verdeutlich ein Beispiel aus der Psychologie: Vor 1998 konzentrierten sich praktisch alle gut ausgebildeten Psychologen darauf, die Ursachen von seelischen Erkrankungen und Defiziten anzugehen – in der Annahme, dass Gesundheit letztlich das Fehlen dieser negativen Umstände sei. Doch dann wurde Martin Seligman Präsident der American Psychological Association (APA) und lieferte seinen Kollegen einen neuen Denkansatz. In einer Rede bei der Jahreshauptversammlung der APA fragte er: Was, wenn die seelische Gesundheit ebenso sehr vom Vorhandensein positiver Umstände abhängt – Schlüsselfaktoren, die sich erkennen, messen und kultivieren lassen? Diese Frage legte den Grundstein für die positive Psychologie.
Besser brainstormen
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