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Drucker ist eines der selten gewordenen Beispiele eines universel-len Geistes, und er hat von Anfang an - offenbar als Naturtalent und ohne darüber zu reden - eine ganzheitliche, systemische Sicht gehabt. Er passt in keine der üblichen akademischen Kategorien. Die Frage ist nicht, ob sein Werk einen Nobelpreis verdienen würde, sondern welchen. Es müsste ein eigener dafür geschaffen werden. Die wohl treffendste Bezeichnung für die Ge-meinsamkeit in allen seinen Arbeiten stammt von ihm selbst und heisst "Sozial-Ökologie", weil es ihm letztlich immer um die Beziehung zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft oder der Gemeinschaft in der vom Menschen gemachten Umwelt ging.
Diese umfassende Sicht war und ist es auch, die Drucker in Stand setzte, einer der erfolgreichsten "Futurologen" dieses Jahrhunderts zu sein. Nicht alles, was er voraussagte, ist eingetroffen. Gelegentlich lag er im Timing falsch; meistens war er zu früh. Aber mit Sicherheit gibt es niemand anderen mit einer so hohen Trefferquote wie Drucker. Bis heute ist er einer der scharfsinnigsten und klarsichtigsten Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen geblieben. Im Vergleich dazu erscheinen die Arbeiten der Trend-Gurus eher als Tagebücher von Pubertierenden.
Drucker legt Wert darauf, kein Prognostiker zu sein. Das ist der Grund, weshalb ich das Wort "Futurologie" zu Beginn des letzten Absatzes in Anführungszeichen gesetzt habe. Er benützt eine ganz andere Methode, als die Trendforscherzunft, für die er nicht einmal Verachtung hat. Drucker betreibt nicht Medien-Surfing und Schlagzeilen-Screening. Er macht Ableitungen und zieht Schlussfolgerungen aus Ereignissen, die schon geschehen sind, die aber noch nicht die nötige Beachtung gefunden haben oder in ihren Auswirkungen noch nicht sichtbar sind. Er ist ein Meister des gründlichen Durchdenkens, des Zu-Ende-Denkens, auch wenn er seine Ergebnisse dann gelegentlich nur grob skizziert.
Er hat, was Beatty sehr schön zeigt, sehr früh, nämlich in den Fünfziger Jahren zum Beispiel die Entstehung der Welt der Organisationen vorausgesagt, den drohenden Niedergang der Gewerkschaften, das Drängen der Jugend in die Colleges und höheren Ausbildungsstätten und damit die Entstehung des Wissensarbeiters und der Wissensgesellschaft. Er ist einer der bis heute Wenigen, die die Bedeutung der demographischen Veränderungen klar erkannt haben. Drucker hat in einem wenig beachteten Buch mit dem Titel "The Unseen Revolution" die Entwicklung dessen vorhergesehen, was er den amerikanischen Pension Fund-Socialism nennt. Er hat sehr deutlich die Bedeutung der Pensionsfonds als neue Kapitalsammelstellen erkannt und die daraus resultierenden Folgen für die Führung der grossen Unternehmen, die Corporate Governance, bis hin zu den Wall Street-Exzessen der letzten 10 Jahre, die er im übrigen in die Nähe des Obszönen stellt.
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