Leadership?

Was ist ...:

Von Cornelia Hegele-Raih
Heft 4/2004

Als "Erfinder" des Begriffs gilt vielen Harvard-Professor John P. Kotter, der 1982 - und ausführlicher 1990 in einem Buch ("A Force For Change: How Leadership Differs From Management") - den Unterschied zwischen Managern und wahren Führern (Leadern) erläuterte: Manager seien eher Verwalter, Leader dagegen Visionäre. Management stehe eher für das perfekte Organisieren der Abläufe, planen und kontrollieren. Leadership bedeute dagegen, die Geführten mit Visionen zu inspirieren und zu motivieren. Leadership schaffe Kreativität, Innovation, Sinnerfüllung und Wandel.

Rollenverständnis: Wer ist Manager, wer Leader?
Corbis

Rollenverständnis: Wer ist Manager, wer Leader?

Ganz neu war dies nicht. In dieselbe Richtung ging die Unterscheidung zwischen transaktionaler und transformativer Führung. Der Politologe und Historiker James M. Burns hatte 1978 politische Führer (zum Beispiel den amerikanischen Präsidenten) als transformativ bezeichnet, wenn sie Veränderungen ankündigten und herbeiführten, selbst wenn diese den aktuellen Bedürfnissen der Wähler entgegenstanden und somit Stimmenverluste zu befürchten waren.

Harvard-Professor Abraham Zaleznik hat in einem 1977 in der "Harvard Business Review" erschienenen Artikel (Managers and Leaders: Are They Different?) ebenfalls die Unterschiede im Handeln von Managern und Leadern hervorgehoben.

McKinsey-Berater Tom Peters und seine Koautorin Nancy Austin klagten 1985 in ihrem Bestseller "A Passion for Excellence" (deutsch: Leistung aus Leidenschaft, 1993), unsere Organisationen seien "overmanaged" und "underled". Es gebe zu viele Bürokraten, aber zu wenig mitreißende Führer.

Seit Kotters "A Force for Change" sind noch etliche Bücher erschienen, die das Leadership-Konzept ausführen. Ob das weiteren Nutzen gebracht hat, ist zweifelhaft. Zumal sich mit der Zeit einige Irrtümer eingeschlichen haben:

1. Irrtum: Leader sind besser als Manager.

Weil "Leadership" so gut klang, musste plötzlich jede Führungskraft Visionen haben, die Umwelt begeistern und mit Sinn beglücken. Auch Jack Welch wollte nur noch Leader bei General Electric Chart zeigensehen, keine Manager. Kotter jedoch wusste, dass ein Unternehmen beide Typen braucht. Zu keiner Zeit können Firmen ohne Manager auskommen, die alles perfekt zu organisieren verstehen. In Umbruchphasen ist allerdings in der Tat ein Leader vonnöten, der die Menschen zusammenschweißen und auf eine neue Richtung einschwören kann.

2. Irrtum: Die Idealbesetzung ist ein Manager-Leader.

Um Kotter zu zitieren: "Niemand kann Leader und Manager in einem sein. Statt das zu beherzigen, versucht man, sich 'Leader-Manager' heranzuziehen. Wenn ein Unternehmen jedoch den elementaren Unterschied zwischen Leadership und Management begreift, kann es getrost darangehen, seine Spitzenleute so zu schulen, dass sie später die eine oder die andere Rolle übernehmen können." Das würde allerdings voraussetzen, dass Positionen je nach Bedarf abwechselnd mit Leadern oder Managern besetzt werden können - nicht eben realistisch. So werden wir wohl weiterhin deplatzierte Führungsfiguren am Werk sehen - Visionäre, wo es kühle Manager bräuchte, und einfallslose, kontrollierende Manager, wo es wirklicher Führungspersönlichkeiten bedürfte.

3. Irrtum: Leader sind Charismatiker.

Kotter besteht darauf, dass Leadership nichts Mysteriöses ist. Von Charisma hinge echte Führungskunst ebenso wenig ab wie von irgendwelchen exotischen Charaktereigenschaften. Das Entwickeln einer geschäftlichen Zielvorgabe ist keine Zauberei, sondern nüchterne, strategische Arbeit. Visionen bräuchten auch nicht brillant neuartig zu sein, die besten seien es gerade nicht. So sagte Jan Carlzon mit seiner Vision, SAS für den viel fliegenden Geschäftsreisenden zur attraktivsten Fluglinie der Welt zu machen, nichts, was man in der Branche nicht längst wusste. Wenn ein Unternehmen in einer Branche immer ein kleines Licht war und dessen Manager plötzlich davon faselten, Nummer eins werden zu wollen, handele es sich um ein Hirngespinst, nicht um eine Vision.

Da Leadership erlernt werden kann, können und müssen Firmen ihre Talente gezielt und mit langfristiger Perspektive entwickeln. Und schließlich kann sich Leadership auf breiter Ebene nur entfalten, wo ein geeignetes Umfeld geschaffen wird. Die feste Verankerung einer entsprechenden Kultur ist laut Kotter das Höchste, was Führungskunst erreichen kann.

Die Unterscheidung zwischen Management und Leadership kann zu Recht als klassisch bezeichnet werden. Sie kennzeichnet zwei archetypische Führungsfiguren, die sich in der Praxis wohl nur allzu oft in wechselseitigem Unverständnis gegenüber stehen. Zu begreifen, dass und wie visionäre Führung und auf Ordnung und Perfektion gerichtetes Management Hand in Hand gehen können, bleibt der Schlüssel zum Erfolg. Wie man dies dann nennt, ist einerlei.

Artikel
© Harvard Business Manager 4/2004
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der manager magazin Verlagsgesellschaft mbH
Nach oben